Lehren und Lernen.
1) Scheinbarer und wirklicher Zweck des Lehrens und Lernens bei der Mehrzahl der Menschen.
Wenn man die vielen und mannigfaltigen Anstalten zum Lehren und Lernen und das so große Gedränge von Schülern und Meistern sieht, könnte man glauben, dass es dem Menschengeschlechte gar sehr um Einsicht und Wahrheit zu tun sei. Aber auch hier trügt der Schein. Jene lehren, um Geld zu verdienen, und streben nicht nach Weisheit, sondern nach dem Schein und Kredit derselben; und diese lernen nicht, um Kenntnis und Einsicht zu erlangen, sondern um schwätzen zu können und sich ein Ansehen zu geben. (P. II, 513.)2) Nachteil des vielen Lehrens und Lernens.
Wie das viele Lesen und Lernen dem eigenen Denken Abbruch tut; so entwöhnt das viele Schreiben und Lehren den Menschen von der Deutlichkeit und eo ipso Gründlichkeit des Wissens und Verstehens, weil es ihm nicht Zeit lässt, diese zu erlangen. Da muss er dann in seinem Vortrage die Lücken seines deutlichen Erkennens mit Worten und Phrasen ausfüllen. (P. II, 514.)3) Vorzug der Dilettanten vor den Lehrern von Profession.
Unstreitig befähigt den geistreichen Menschen sein rein Intellektuelles Leben vor allen Anderen zum Lehren, weil er keinen anderen Zweck als die Erkenntnis um ihrer selbst willen hat. Weil er aus eigenem Triebe stets denkt und lernt, wird er accidentaliter zur Belehrung fähig. Gewöhnliche Menschen hingegen, die den Vorsatz gefasst haben, Lehrer zu werden, vereiteln ihn schon dadurch, dass bei allem ihrem Lernen und erzwungenen Denken der Zweck des Lehrens ihnen vorschwebt und sie verhindert, tief einzugehen in die Gegenstände der Erkenntnis. (W. 424. fg.)
Die Gelehrten, wie sie in der Regel sind, studieren zu dem Zweck,
lehren und schreiben zu können. Daher gleicht ihr Kopf einem Magen
und Gedärmen, daraus die Speisen unverdaut wieder abgehen. Eben
deshalb wird auch ihr Lehren und Schreiben wenig nützen. (P. II,
515.) Schon Diderot hat es in Rameaus Neffen gesagt, dass Die,
welche eine Wissenschaft lehren, nicht Die sind, welche sie verstehen
und ernstlich treiben, als welchen keine Zeit zum Lehren derselben bleibt.
Jene Anderen leben bloß von der Wissenschaft; sie ist ihnen
eine tüchtige Kuh, die sie mit Butter versorgt. (P. II, 516. Vergl. auch Dilettanten.)